Zwei Schüler des Landgraf-Ludwigs-Gymnasiums haben einen beeindruckenden Film über das von den Nazis ermordete Ehepaar Will gedreht.
Gießen. Bis vor einigen Monaten kannte Joshua Dyck (15) Heinrich Will nur als Name einer Straße, die er auf dem täglichen Schulweg ins Landgraf-Ludwigs-Gymnasium durchquert. Und auch sein in Staufenberg-Treis lebender Mitschüler Elias Aycan (16) hatte keine Ahnung, dass die dort lebenden Wills einen solch prominenten Mann zu ihrer Familie zählen. Doch dann machte der Kunstgeschichts- und Ethiklehrer Markus Lepper die beiden auf ein Buch in der Schulbibliothek aufmerksam, das vom Leben und Sterben Heinrich und Elisabeth »Liesl« Wills erzählt - es war der Ausgangspunkt für einen Dokumentarfilm, den die beiden Gymnasiasten im »Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten« einreichten und dessen auf 30 Minuten verlängerte Version sie nun im Museum für Gießen präsentierten.
Man kann als Zuschauer nur staunen, wie Joshua und Elias die tragische Geschichte so filmisch nacherzählen, dass sie auch allen denjenigen verständlich wird, die zuvor noch nie vom Drama der Eheleute Will gehört haben. Zum Einstieg in die Doku erzählen Nachfahren am Küchentisch in Treis von der Wirkung, die das charismatische Paar bis heute entfaltet. Von dort wird zunächst der Lebensweg Heinrich Wills nachgezeichnet: Elias spricht die meisten der von ihm geschriebenen Texte aus dem Off ein, die von Fotos, Dokumenten, Ölgemälden und Zeichnungen sowie selbst gedrehtem Filmmaterial illustriert werden.
Heinrich Will, 1895 geboren, war ältester Sohn eines Landwirts, der, anstatt dessen Hof zu übernehmen, ein Kunststudium an der bedeutenden Frankfurter Städelschule begann. Über Düsseldorf kam er 1926 an die Wiener Akademie, wo er sein Studium abschloss und zeitgleich Elisabeth Klein kennenlernte, Tochter eines jüdischen Industriellen. Das Paar zog 1930 nach Gießen - und Wills Karriere als Maler nahm Fahrt auf. Als Künstler deutsch-nationaler Gesinnung war er zunächst auch Bezirksleiter der hiesigen Künstlervereinigung - bis er wegen seiner jüdischen Frau unter Druck geriet. Doch die in inniger Zuneigung verbundenen Heinrich und Liesl ließen sich weder scheiden noch brechen, auch nicht, als sie in ihrem 1941 begonnenen »Freitagskränzchen« von einer Nazi-Agentin denunziert und Heinrich wegen Hörens eines »Feindsenders« zum Tode verurteilt wurde. Im Februar 1943 wurde er in Frankfurt hingerichtet. Liesl wurde direkt aus der Haft ins KZ Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Im anschließenden Publikumsgespräch zeigte sich Markus Lepper beeindruckt, wie die Schüler das über Monate gesammelte Material geordnet haben und »eine gewisse Härte« in ihren erzählerischen Ton einfließen ließen. Sie orientieren sich an den Rechercheergebnissen - etwa im Museum für Gießen, im Stadtarchiv, bei der Familie - und zeigen zugleich den Schrecken und die totalitäre Willkür, die das Nazi-Regime ausgemacht haben. Zugleich lässt sich angesichts ihrer Doku nachvollziehen, dass Widerstand nicht nur aktives Handeln bedeutet. In den Verhören der Gestapo haben sich die Wills als einzige nicht brechen lassen und nie gegenseitig belastet. Für Joshua Dyck ist auch das ein »beeindruckendes Zeugnis des Widerstands«.
Die Ergebnisse des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten werden am 16. Juni bekanntgegeben. Die aktuelle Sonderausstellung zum Ehepaar Will läuft bis Oktober im Museum für Gießen.
Quelle: Gießener Anzeiger vom 12.06.2025